Testsystem Seegrundmine

Zu Beginn des neuen Jahrtausends konnte unser Team einen faszinierenden Blick „zurück in die Zukunft“ werfen. Wir wurden beauftragt, eine Ablösung des bisherigen Testsystems für Grundminen zu entwickeln. Die Nato-Ostseeanrainer verfügen über mehrere Tausend Stück dieser Seeminen, die der Sicherung unserer Seegrenzen im Verteidigungsfall dienen sollen.

Militärtechnik, davon gingen wir aus, musste der zivilen Welt um Jahrzehnte voraus gewesen sein. Doch wie sah zukunftsfähige Waffentechnik in den 1950er-Jahren aus? Kurz gesagt: bemerkenswert modern!

Die Mine, vielmehr ihr Sensorkopf, kann durch magnetische und andere Messungen die Signatur eines Schiffskörpers bestimmen und damit eine Freund-Feind-Erkennung durchführen. Damit diese Konfiguration über die vielen Jahre an die Weiterentwicklung von Schiffstypen bei Freund und Feind auch anpassbar bleibt, muss diese Konfiguration updatefähig sein: Wir sprechen nach wie vor von den 50er-Jahren!

US Navy explosive ordnance disposal (wikipedia)

US Navy explosive ordnance disposal (wikipedia)

Beeindruckend und eigentlich ein Abenteuer für sich ist auch die Art, wie das Update eingespielt wird. Dazu fährt ein Team von Kampftauchern oder Marinespezialisten mit dem Schlauchboot zur Mine. Über eine Ultraschallsonde, die damals noch einem Rohr mit gut 15 cm Durchmesser ähnelte, werden die neuen Konfigurationsdaten in den Sensorkopf geladen, ohne die Mine zu öffnen, damit die Sabotage-Zündung nicht ausgelöst wird! Zu diesem Zweck besitzt der Kopf ein spezielles Ultraschallpad an der Außenseite.

Fast schon ungläubig registrierten wir, dass der Sensorkopf über ein ternäres System – also statt der heute üblichen binären, eine dreiwertige Logik verwendet – und damit über „so etwas“ wie Digitaltechnik verfügt. Eine hoch spannende und über ein halbes Jahrhundert „alte“ Ingenieursleistung, an die wir mit unseren Entwicklungen zukunftsfähig andocken konnten.

tecVenture im Einsatz
Die Fakten:

  • Analyse des elektrischen Interfaces und Erarbeitung einer Spezifikation für ein digitales ternäres System, zu dem die Originaldokumentation nicht mehr verfügbar war

  • Entwicklung einer elektronischen Hardware PCI-Steckkarte mit FPGA von Xilinx (Spartan III); das PCI-Interface wurde ebenfalls komplett im FPGA realisiert

  • Entwicklung einer komplett softwarefreien FPGA-Lösung auf Basis von Zustandsautomaten (Finite State Machines)

  • Entwicklung einer abgesetzten Treiberhardware nach MIL-Standard (MPG-Interface)

  • Inbetriebnahme beider Karten

  • Entwicklung eines PC-Treibers für die PCI-Karte

  • Dokumentation

  • Lieferung von 40 Systemen an die NATO (und kein einziger Rückläufer bis heute!)

WehrtechnikAndré EitzFPGA, VHDL