Varistor Fernanalyse

Ein Fachgebiet, in dem wir „Schwachstromer“ klassisch nichts „verloren“ haben, ist die Hochspannungstechnik. Hätte uns vor ein paar Jahren jemand prophezeit, dass uns ausgerechnet Umspannwerke neues Projektpotenzial bieten, hätten wir ihn ausgelacht oder die Prognose als äußerst abenteuerlich abgetan.

Genau dorthin aber führte uns ein faszinierendes Projekt, bei dem es um Messtechnik für sogenannte Hochspannungsvaristoren ging.

Bei diesen Überspannungsableitern handelt es sich um energietechnische Geräte in einer angeschlossenen Netzinfrastruktur. Als spannungsabhängige Widerstände schützen sie diese vor netzinternen Überspannungen oder Blitzeinschlag. Sie bestehen aus einem Keramik- oder Kunststoffgehäuse, dessen vor Wetter schützende Schirme ihnen ihre typische Form geben. Im Inneren befindet sich eine Säule aus Zinkoxid-Varistorscheiben. Mit steigender Spannung sinkt deren Widerstandswert, und Überspannungen aus dem Netz können gegen Erde entladen werden. 

Die häufigsten Gründe für Ausfälle von Überspannungsableitern und damit verbundene Netzstörungen sind auf Materialalterung und Feuchtigkeitseintritt, aber auch Verschmutzung der Isolatoroberfläche  zurückzuführen. Durch Analyse des im Überspannungsableiter fließenden Ruhestroms und Einbeziehung sowohl der äußeren als auch inneren Kriechströme über die Gehäuseoberfläche, lässt sich der „Gesundheitszustand“ eines Varistors bestimmen. 

Der smartCount Datalogger der Firma TRIDELTA MEIDENSHA

Der smartCount Datalogger der Firma TRIDELTA MEIDENSHA

Und da kommen wir ins Spiel. Nach intensiver Beratung mit dem Kunden standen wir vor einer herausfordernden Aufgabe: Das zu entwickelnde Messgerät sollte diesen Ableitstrom ohne zusätzliche Stromquelle und, um Wartungskosten zu vermeiden, auch ohne Batterie messen sowie die Daten drahtlos an eine Cloud-Applikation übertragen können. 

Unser Gerät speist sich nun aus genau diesem Ableitstrom. Solange im Normalbetrieb keine Daten ausgelesen werden, misst, registriert und speichert das extrem stromsparend ausgelegte Gerät den Ableitstrom, der es versorgt. Zugleich ist es extrem widerstandsfähig gegen die auftretenden Entladeströme im Überspannungsableiter ausgelegt. Unser Gerät kann Impulsströme bis zu 100 kA nicht nur aufnehmen, sondern auch hinsichtlich ihrer Anzahl und Stromstärke auswerten.

Zum Auslesen der Daten im Umspannwerk verwendet das Servicepersonal ein Smartphone, das während der Datenübertragung die Versorgung des Geräts übernimmt, da die Energie aus dem Ableitstrom allein dafür nicht ausreichen würde.

Die Kommunikation mit dem Gerät haben wir ebenso zukunftsweisend ausgelegt. Es verfügt über NFC (Nahfeldkommunikation), wie sie vom kontaktlosen Bezahlen mit dem Smartphone bekannt ist. NFC besitzt eine für unsere Anwendung besonders nützlich Eigenschaft: Es kann passive RFID-Chips auslesen, die keine eigene Energiequelle haben. Das NFC-Mastergerät – in unserem Fall ein Smartphone – baut ein Hochfrequenzfeld auf, das unser extrem stromsparendes Gerät während der Kommunikation versorgt. 

Schematische Darstellung der Funktionsweise

Schematische Darstellung der Funktionsweise

Sobald dem Servicepersonal außerhalb des Umspannwerks wieder eine funktionierende Internetverbindung zur Verfügung steht, werden die Daten vom Smartphone – das dann als mobiles Modem fungiert – in die Cloud geladen.

Für uns ein ganz besonderes technisches Abenteuer, bei dem das aus unserer Sicht große Potenzial der NFC-Technologie im Bereich eingebetteter Systeme deutlich wird. Bei konzeptionell geschickter Anwendung kann ein Smartphone mit NFC die üblichen „kleinen“ Displays ersetzen und bei der Bedienung Maßstäbe setzen. Langfristig wird es hier zu einem Wandel kommen: weg von dedizierten Displays, hin zu einer kontextbezogenen Bedienung mit Smartphone und Tablet.

tecVenture im Einsatz
Die Fakten:

  • Beratung des Kunden zu den Aspekten von drahtlosen Technologien

  • Konzeption/Untersuchung einer langen Kabelverbindung via I2C zwischen Messgerät und abgesetztem NFC-Pad

  • Entwicklung der extrem stromsparenden Messgeräte-Hardware gemeinsam mit dem Kunden

  • Entwicklung der digitalen NFC-Hardware; Versorgung aus NFC-Feld

  • Entwicklung der Messgeräte- sowie NFC-Firmware

  • Entwicklung APP für Android-Smartphones/Tablets

  • Aufbau Prototypen und Nullserie